Matthias Nienhaus, Universität des Saarlandes
05.10.2022 Veranstaltungsrückblick

IKMT 2022

Die 13. Fachtagung  Innovative Klein- und Mikroantriebstechnik  IKMT fand vom 14. bis 15. September 2022 in Linz statt. Ausgerichtet wurde die Fachtagung, die diesmal das Motto „Innovative Kleinantriebe bewegen die Welt“ hatte, von der VDE/VDI-Gesellschaft GMM in Zusammenarbeit mit der Energietechnischen Gesellschaft im VDE ETG
Hier die Berichterstattung von Prof. Wolfgang Amrhein,  wissenschaftlicher Tagungsleiter der IKMT 2022.

Elektrische Kleinantriebe - Arbeit im Verborgenen

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Prof. Wolfgang Amrhein, Tagungsleiter der IKMT 2022

Elektrische Kleinantriebe und Kleinmotoren arbeiten meistens im Verborgenen: in Fahrzeugen, in Haushalten, in Büros, im Gewerbe, in der industriellen Produktion sowie in vielen anderen Einsatz­gebieten. Sie unterstützen uns bei zahlreichen Aufgaben des täglichen Lebens, bringen uns Komfort und Sicherheit und automatisieren aufwändige Prozesse und Abläufe. Eine große Bühne oder große mediale Aufmerksamkeit wird ihnen jedoch in der Regel nicht zuteil, ganz im Gegensatz zu Traktionsantrieben moderner Elektrofahrzeuge. Dabei verrichten alleine in einem Personenkraft­wagen der oberen Mittelklasse typischerweise 100 bis 150 Kleinantriebe meist unbemerkt ihren Dienst. Viele andere Anwendungsgebiete weisen ebenso erstaunlich hohe Einsatzzahlen auf.  

An der IKMT 2022, diesmal gemeinsam veranstaltet von der GMM (VDE), der Johannes Kepler Universität und dem Linzer Mechatronik Kompetenzzentrum LCM, wurden die elektrischen Klein­antriebe und Kleinmotoren und damit zusammenhängende Themengebiete in den Blickpunkt gerückt. 160 Tagungsgäste trafen sich vom 13. bis 15. September in Linz um sich über die neuesten Ergebnisse aus F&E-Arbeiten zu informieren, neue Anregungen zu holen, Kontakte zu knüpfen und sich mit Expertinnen und Experten auszutauschen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer*innen kam aus der Industrie, ein bemerkenswerter und erfreulich hoher Anteil. Begleitend zu den 60 Fachvorträgen und Posterpräsentationen aus Wissenschaft und Industrie wurden von 18 Ausstellern neue Produktideen und innovative Anschauungsmuster vorgestellt. Hierbei waren sowohl der OEM- als auch der Zulieferbereich eindrucksvoll vertreten. Drei Hauptsponsoren, die BMW Group Werk Steyr, KEBA und voestalpine unterstützten die Durchführung und Finanzierung der Tagung und das damit verbundene fachliche und gesellschaftliche Rahmenprogramm. Weiterhin wurde die Tagung durch das COMET-K2 Center des LCM, das durch die österreichische Bundesregierung und das Bundesland Oberösterreich gefördert wird, unterstützt. 

Riesige Themenvielfalt ...

Tagungsort der IKMT 2022: JKU Linz

Die Themen und Fachbeiträge der Tagung gestalteten sich sehr vielfältig und informativ. So wurden nicht nur aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen und Erkenntnisse zu Synchron-, Asynchron- und Gleichstrom­antrieben vorgestellt, sondern auch Neuerungen und Besonderheiten im Bereich der Antriebskomponenten, Steuerungen und Werkstoffe. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten neuartige, sehr vielversprechende Methoden und Herangehensweisen im Entwurf und bei der Optimierung von elektrischen Antriebssystemen.  

In vielen der präsentierten Entwicklungen war ein Trend zu hohen Leistungsdichten, gepaart mit Forderungen nach exzellenter Motorperformance, geringem Energieverbrauch, kleinem Material­einsatz sowie niedrigen Herstellkosten erkennbar. Mehrzieloptimierungen und multi-kriterielle Entscheidungs­findungs­­methoden spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Insbe­sondere, wenn man in die physikalischen Grenzbereiche der elektrischen Antriebe vordringen oder treffgenaue Vorhersagen des Betriebs­verhaltens erzielen will, genügt es nicht mehr, in der Simulation und Optimierung auf Standard-Modelle zuzugreifen. Immer wichtiger werden hochpräzise Modelle, die das physika­lische Verhalten der betriebsbestimmenden Komponenten und verwendeten Werkstoffe möglichst exakt widerspiegeln. Hierzu zählen beispielsweise Nachbildungen des thermischen Betriebsverhaltens der Maschine und ihrer temperaturkritischen Teile oder auch die Veränderungen der Material­charak­teristik von Elektroblechen durch äußere Beeinflussungen. Solche können insbesondere bei feingliedrigen Strukturen beispielsweise durch die mechanische Bearbeitung, den Pressdruck infolge des Fügens in das Statorgehäuse oder durch Fliehkräfte auf den Rotor im Hochdrehzahlbetrieb hervorgerufen werden.

Darüber hinaus ist besonders in Hinblick auf eine hochqualitative Fertigung die Robustheit des optimierten Designs gegenüber Fertigungstoleranzen von größter Bedeutung. In erster Linie betrifft dies Toleranzen von geometrischen Designparametern, Toleranzen der Materialeigenschaften, aber auch die Sensitivität des Antriebs gegenüber äußeren Einflussgrößen. Solche und andere vorgestellten Betrachtungen waren ebenfalls Inhalt der Tagung und gaben Einblick in wissenschaftlich untersuchte Lösungsansätze.  

Die KI hält auch hier Einzug

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In den Pausen gab es die Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Außerdem zeigten 
18 Aussteller ihre Produkte und Lösungen/ Bild: LCM
 

Aus einigen Beiträgen wurde auch ersichtlich, dass KI-Methoden, wie Anwendungen von neuronalen Netzen, Machine Learning Algorithmen oder Deep Learning Ansätzen, vorzugsweise gepaart mit Expertenwissen, immer mehr an Bedeutung gewinnen, sei es bei der Parametrierung von thermischen Modellen, der Findung optimaler Designs, der Echtzeit-Parameterschätzung in Mikrocontroller-Anwendungen oder bei der sensorlosen Zustands­überwachung der Maschine, um nur einige Beispiele zu nennen. Diesen aktuellen Entwicklungen kommt zugute, dass sich eine sehr hohe Anzahl von Wissenschaftlern aus der Informatik mit der Weiterentwicklung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit von KI-Methoden beschäftigt. Die elektrische Antriebstechnik kann dabei von der Mächtigkeit solcher entwickelten Algorithmen profitieren. Dies gilt umso mehr für hybride Ansätze, bei denen das zusätzliche Einbetten von klassischem Expertenwissen aus der elektrischen Antriebstechnik deren Effektivität erfahrungsgemäß nochmals deutlich steigern kann.  

Die Tagung beinhaltete noch viele weitere Themenstellungen und Beiträge, die neue Entwicklungstendenzen erkennen lassen. Als Beispiel können kosten­optimierte Magnetlager­ausführungen genannt werden, die vermehrt in Hochdrehzahl­anwendungen Einsatz finden und dort im Vergleich zu mechanischen Wälz- oder Gleitlagerlösungen zu deutlichen Leistungssteigerungen führen. Einsatzbereiche solcher magnetischen Lagerungen findet man beispielsweise in Garnspinn­direkt­antrieben. Auffallend ist, dass die Zahl der zur Magnetlager­technik einge­reichten Publikationen im Vergleich zur letzten Tagung deutlich gestiegen ist, ein Indiz für die erhöhte Aufmerksamkeit, die diesem Entwicklungsfeld zwischenzeitlich zukommt.   

Schnell schaltende Inverter, die auf neue SiC- oder GaN-Leistungshalbleitertechnologien aufsetzen, stellen stark erhöhte Anfor­derungen an die Spannungsfestigkeit der Maschinenwicklungen. Es ist daher nötig, die Eigen­schaften der Cu- bzw. Al-Lackisolation zu verbessern, was bei Flachdrähten eine deutlich größere technische Heraus­forderung als bei Runddrähten darstellt. Auch diesem aktuellen Thema, das sich nicht nur auf Antriebe kleiner Leistung beschränkt, galt das Augenmerk der Tagung.